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"Die Welt braucht Frieden" - Rede von Alfred Huber am Antikriegstag 2023
Rede zum Antikriegstag 2023 des DGB Stadt- und Kreisverband Heilbronn von Alfred Huber. Alfred Huber ist seit den frühen 80ern einer der Organisatoren des Heilbronner Friedenrats. Wir dokumentieren hier die Rede. Mehr Infos zum Friedensrat unter www.friedensrat.de
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
Danke, dass ich heute für den Heilbronner Friedensrat sprechen kann.
Die Welt braucht Frieden überschreibt der Deutschen Gewerkschaftsbunds seine
Erklärung zum heutigen Antikriegstag. Genau das ist unser Thema als Heilbronner
Friedensrat seit 1983, seit 40 Jahren.
„Die Welt braucht Frieden“ ist meine Überzeugung aus der Beobachtung vieler Kriege.
20 Jahre Afghanistan, erst als Mission verharmlost, ein Desaster.
Abneigung gegen Krieg, Sehnsucht nach Frieden: Familienerfahrung.
Der von Russland angefangene Krieg erschüttert. Trotzdem. Es muss Frieden geben,
bald. Scheint unmöglich zu sein. Ich kann und will diesem Thema nicht weichen. Für
den Friedensrat, als Gewerkschaftsmitglied. Und als Kriegsdienstverweigerer, - in einer
Zeit, als dies noch nicht üblich war und man als Außenseiter galt.
Kurz zum Friedensrat. Viele kennen die Geschichte, waren dabei.
Schon vor dem Friedensrat, schon in den Siebzigern, erinnere ich mich an
verschiedenste Initiativen gegen die Pershing-Raketen und für den Frieden:
Naturfreunde, Heilbronner Friedenswoche, Heilbronner Friedensinitiative, Kirchliche
Gruppen.
Stichworte:
Gründung 1983
Kernaufgabe, die Pershing-Raketen auf der Waldheide wegzubekommen
Sonderzug nach Bonn mit 1.200 Teilnehmern
"Heilbronner Begegnungen" der Berliner Akademie der Künste
Marsch der 10.000 auf die Waldheide nach dem Raketenunglück
Martha Kuder, die unerschrockene Streiterin gegen Atomraketen
Weitere Auskunft siehe www.friedensrat.de
1990 in der Gorbatschow Zeit war es so weit, die Pershings wurden abgezogen und
vernichtet. Alle konnten aufatmen.
All die Kasernen in Heilbronn und Neckarsulm wurden geräumt und für friedliche
Zwecke genutzt. Über die Ami-Wohnungen freuten sich nicht nur Zugezogene, sondern
viele, die dringend eine bezahlbare Bleibe brauchten.
Das Atomwaffenlager in Siegelsbach wurde für zivile Güter und Werkstätten umgenutzt.
Sogenannte Friedensdividende.
Rüstungskonversion ein großes Thema. Ziel, war die Umstellung industrieller Betriebe auf
zivile Fertigung. Dies gelang viel zu wenig. Die Waffenlobby ist stark. Deutsche
Waffenexporte dienten Krisen und Kriege weltweit.
Das Fenster der Entspannung wurde nicht genutzt. In vielen Teilen der Erde entflammten
Kriege. Versagen der Politik und Diplomatie.
Heute ist Antikriegstag. Der Tag des Überfalls Deutschlands auf Polen, der Tag, mit dem
der brutalste Krieg begann, die grausamste Vernichtung von Menschen, die man sich
denken kann. Wir sind hier, vor der Ehrenhalle des Rathauses, mit dem Ziel, dass es solch
einen Wahnsinn nie mehr geben darf.
Am 6. August war Hiroshimatag, der Tag, der an den Einsatz der Atombombe in
Hiroshima und Nagasaki erinnert. Der Tag, Sinnbild seit 78 Jahren, diese
Massenvernichtungswaffen zu ächten. Atomwaffen müssen von der Erde
verschwinden.
In meinem Mitgliedsbuch der SPD von vor über 50 Jahren heißt es: Die Bundesrepublik
Deutschland darf atomare und andere Massenvernichtungswaffen weder herstellen,
noch lagern noch verwenden.
In Büchel oberhalb Mosel ist eine Fliegerstaffel der Bundeswehr bereit für den Einsatz US-
amerikanischer Atombomben. Dort wird derzeit erneuert, „modernisiert“, für noch
gefährlichere einsatzbereite Bomben. Für neue Bomben braucht es neue, für den
Einsatz der Bomben zertifizierte, Flugzeuge. Für die neuen Atombomber braucht es
neue Startbahnen und Bunker. Zig Mrd. Euro für das aus meiner Sicht schädliche
Unterfangen.
Der Chef der Flugstaffel wird in einer SWR-Sendung vorgestellt, beschreibt die
Bauarbeiten, als wären sie das normalste der Welt.
Es ist aber die deutsche Politik, die, für mich unfassbar, will, dass in Büchel deutsche
Flugzeuge, zusammen mit amerikanischen Atomwaffen startbereit sind; offenbar 20
dieser Massenvernichtungsgeräte. Das ganze Konstrukt, amerikanische Waffensysteme,
NATO, deutsche Einsatzbereitschaft, nennt sich atomare Teilhabe. Klingt beinahe wie
Mitbestimmung. Allerdings ohne Transparenz. Welcher deutsche Politiker oder Militär hat
die zweifelhafte Ehre und den Mut, teilzuhaben? Aus meiner Sicht gibt es nur Eins: Ob
deutsches Militär oder deutsche Politiker, keiner darf einem Einsatz von
Massenvernichtungsmittel in Europa zustimmen.
Am Antikriegstag gilt besonders: Die Welt braucht nicht die Massen an militärischer
Macht. Die Welt braucht Friedensmacht, braucht Friedenslogik. Ziele der Vereinten
Nationen sind „Verzicht auf Gewaltanwendung“, „Friedliche Schlichtung aller
Streitigkeiten“.
Die fünf „offiziellen“ Atomwaffenstaaten, USA, Russland, China, sowie Großbritannien
und Frankreich, sind gleichzeitig die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats und haben
in der UNO entscheidende Macht. Nutzen die Fünf ihre Macht zum Verzicht auf
Gewaltanwendung, zur friedlichen Schlichtung von Streitigkeiten? Es ist mir total fremd,
die fünf Mitglieder gleichstellen zu wollen.
Aber steht nicht zu oft die militärische Macht absolut im Vordergrund?
Um die 100 Staaten haben sich im Rahmen der UNO zum Verbot von Atomwaffen
zusammengeschlossen. Keine ist im mächtigen ständigen Sicherheitsrat Mitglied.
Unser Nachbarland Österreich hat großes Verdienst am Zustandekommen des
Atomwaffenverbotsantrag. Dagegen kann oder darf Deutschland sich nicht zu einem
Beitritt durchringen. Ein Atomwaffenverbot passt nicht zur NATO und würde auch, siehe
Luftwaffengeschwader Büchel, nicht den Tatsachen entsprechen.
Am 20. 2. 2020, ein eingehendes Datum, stimmte der Heilbronner Gemeinderat
einstimmig dafür, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, auf Initiative von OB
Harry Mergel, Mitglied bei den Bürgermeistern für den Frieden und von Wolf Theilacker.
Auch heute erinnere ich an die Entscheidung fürs Atomwaffenverbot. Der
Gemeinderatsbeschluss darf nicht folgenlos bleiben.
In vielen Orten der Welt, auf hunderten von Versammlungen in Deutschland wurde um
den Hiroshima-Tag für eine atomwaffenfreie Welt geworben. Wir vom Heilbronner
Friedensrat sind mit den früheren Pershing-Orten Mutlangen/Schw. Gmünd, sowie
Ulm/Neu-Ulm einig in diesem Ziel. Seit 2012 haben wir zum Hiroshima-Tag
vertrauensvollen Kontakt mit der starken Friedensbewegung in Wien.
Spannungen, Konflikte zwischen Gruppen, Regionen und Staaten sind normal. Sie
müssen mit zivilen Mittel, durch Ausgleich gelöst werden. Ein Negativ-Beispiel ist in
meinen Augen der Afghanistan Krieg.
Stichworte:
Es war Al-Qaida, nicht die Taliban, welche die Twin-Towers in New York zerstörten.
Eine Flugzeugmannschaft plante von Hamburg aus.
Die Taliban wurden nicht als Gesprächspartner angesehen.
Beim Antiterrorkampf der USA gab es viele zivile Opfer, was die Taliban stärkte.
Die Bundeswehr wollte Mädchenschule einrichten, hat nicht geklappt.
Etwa 20-mal hat die Mehrheit des Bundestags dem Kriegseinsatz in Afghanistan
zugestimmt. Die Kritik, die jetzt durch die Enquete-Kommission im Bundestag
aufkommt: zu spät!
„Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt“, eine krasse Fehlaussage.
Der 20 Jahre lange Krieg, ein Desaster.
Heißt es künftig, sprachlich abgemildert, „Deutschland will seine Interessen auch am
Indo-Pazifik verteidigen?“
Nicht Militärs, sondern Friedenseinsätze, Bildung, Unterstützung und Ausgleich sind
gefragt!
Der Zivile Friedensdienst ZFD sollte viel mehr Friedensfachkräfte, mehr Geld und mehr
Beachtung finden. ZFD ist ein Programm für Gewaltprävention und Friedensförderung in
Krisen- und Konfliktregionen.
In der Erklärung des DGB für den heutigen Antikriegstag heißt es:
Ein neuer nuklearer Rüstungswettlauf hat begonnen. Die Zahl der einsatzfähigen
Nuklearsprengköpfe steigt. Die Ausgaben für atomare Aufrüstung nimmt aberwitzige
Ausmaße an. Und:
Die Waffen müssen schweigen – überall!
Von einer Freundin habe ich die zwei Bände von Berta von Suttner geschenkt
bekommen: Die Waffen nieder, 39. Auflage, Berlin 1917, dem Kriegsjahr. Würden nur
mehr Leute diese alten Bücher lesen und beherzigen. Der Wunsch, die Forderungen
nach Frieden sind noch heute gültig.
Die Waffen nieder, wie soll das funktionieren, wenn weder Russland noch die
angegriffene Ukraine einlenken?
Beteuert wird, Leben sei das höchste Gut. Dabei gibt es täglich auf den
Schlachtfeldern, wie es militärisch heißt, in den Wohnvierteln, Tote, Verletzte,
Geschundene, Zerstörungen, getrennte Familien, Gefangenschaft. Dafür Heldentum,
Hass, Erfolgsmeldungen über Bodengewinne.
Drohnen scheinen die Waffe der Wahl zu sein. Dass sich Soldaten ergeben, kann man
sich sparen. Die Drohnen erledigen das von Ferne.
Der Präsident der Schriftstellervereinigung PEN der Ukraine sagt, es gebe keine größere
Tragödie als den Verlust des menschlichen Lebens. „Es gibt keine größere
Ungerechtigkeit als die, dass eine Mutter ihr Kind verliert. Wir brauchen diesen Krieg
nicht, um all das zu lernen“.
Was ist die praktische Folgerung? Frieden zu suchen und zu finden?
Eher das Gegenteil. In Kriegszeiten schrumpfen die bürgerlichen Freiheiten, das Gut,
das es zu verteidigen gilt. Die Freiheit zu reisen, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung,
nur als Beispiel.
Der DGB sagt: „Wir warnen eindringlich vor dem Irrglauben, immer mehr Waffen für die
Ukraine würden zu einem schnelleren Ende des Krieges führen“.
Ein wichtiger Aspekt. Immer dickere Panzer, weiterreichende Raketen, bis Moskau, bis
Kiew. Gibt es Grenzen der Eskalation? Wie und wann endet das?
Waren die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, angeblich um ein Ende des
Krieges zu erreichen, gerechtfertigt.
Waren die 6.500 Tote am 4. Dez. 1944 für ein schnelleres Ende des Krieges, so wird
gesagt, gerechtfertigt?
Daran werde ich nachher in der Ehrenhalle denken. Und an Abraham Gumbel,
bekannt als Bankier und Namensgeber des Abraham Gumbel-Saals der Volksbank. Bei
der Volksbank offenbar unbekannt, dass er ein absoluter Kriegsgegner war. Nach der
Katastrophe des 1. Weltkriegs trat er vehement und streitbar für die Aussöhnung mit
Frankreich ein. Auf der Waldheide traf sich die Heilbronner Gruppe der Deutschen
Friedensgesellschaft zu Sport und Spiel.
Warum waren nicht viel mehr dabei? Statt Frieden und Ausgleich, war Nationalismus
und Militarisierung hoch im Kurs.
Verpasste Gelegenheiten der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Unser Bundespräsident ist der Meinung, wenn die USA der Ukraine Streumunition liefert,
dürfe man „ihr nicht in den Arm fallen“. Kennt er die Dienstvorschrift der Bundeswehr
„Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten“? Demnach sind Sprengfallen und
Streumunition verboten.
Bei Waffen, wie der Streumunition, geht es nur noch ums Töten. Wie vermintes Gebiet
zurückgewinnen? Wie sollen Kinder den tödlichen Fallen ausweichen?
Großbritannien liefert der Ukraine abgereicherte Uranmunition. Das giftige und
geächtete Vermächtnis der Alliierten im Kosovo und Irakkrieg.
Es geht um mehr als um Dienstvorschriften, es geht um Menschlichkeit, um
Glaubwürdigkeit und um Werte. Die gelten allgemein, vor allem aber für Verbündete
und Freunde.
Und es geht darum, anstatt mit Waffen, der Ukraine einmal mit zivilen Mitteln zu helfen.
Verhandlungen gab und gibt es in allen Phasen des Kriegs. Bei den
Getreideabkommen, beim Gefangenenaustausch, bei der Sicherheit der
Atomkraftwerke. Gestern wurde in der Heilbronner Stimme berichtet, EU-Länder hätten
in den ersten sieben Monaten des Jahres sehr viel mehr Flüssiggas aus Russland gekauft
wie im Vorjahr. Und dafür schätzungsweise über 5 Mrd. Euro bezahlt! Es gibt sie die
Kontakte mit Russland.
Soll das Ziel sein, Russland zu ruinieren, wie die Außenministerin sagte?
Wir haben große Aufgaben als Menschen und Staatengemeinschaft. Kriege sind das
Letzte, was wir brauchen. Das Töten, die Schäden für das Klima, Panzer als Klimakiller.
Seit Jahrzehnten sorgen sich Nicht-Regierungsorganisationen um Krieg und Gewalt in
Afrika. Neuerdings sorgt sich Südafrika um Europa und regt Verhandlungen zwischen
Russland und der Ukraine an. Ja, Russland hat angegriffen, verletzt Verträge und
Grundsätze. Aber ist es nicht gegenüber der großen Mehrheit in der Welt blamabel,
wenn Europa es nicht hinbekommt, sich auf Diplomatie zu besinnen. Das Minsker
Abkommen, was die Rechte der russischen Minderheit bewahren soll, war kein Fehler.
Aber die Verantwortlichen in Kiew haben nicht ernsthaft gedacht, es umzusetzen.
Unsere Politik muss die ganze Kraft einsetzen. Nicht um Forderungen für immer
scheußlicheren Waffen nachzukommen, sondern um Russland und die Ukraine an den
Verhandlungstisch zu bekommen.
Heute ist Antikriegstag, heute ist der Tag für den Frieden!