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"Es brennt die Hütte - Zeit zu handeln"

Der Präsident der afrikanischen Naturfreunde, Mamadou Mbodji, war auf Einladung der Unterländer Naturfreunde, des DGB, der Lokale Agenda21, der Energiewende, Heilbronn for future und des Flüchtlingsrats BW zu einem Vortrag und anschließender Diskussion im Heilbronner Gewerkschaftshaus. Im Vorfeld hat die Heilbronner Stimme ein interessantes Interview veröffentlicht:

Was bedeutet Klimagerechtigkeit? Naturfreunde-Vizepräsident Mamadou Mbodji im Interview

Der Naturfreunde-Vizepräsident Mamadou Mbodji spricht über "Klimagerechtigkeit als globales Friedensprojekt". Der Umweltschützer aus dem Senegal ist am Freitag, 7. Oktober, im Heilbronner Gewerkschaftshaus für einen Vortrag sowie eine Diskussion zu Gast.

von Milva-Katharina Klöppel

07. Oktober 2022

Seit 30 Jahren engagiert sich Mamadou Mbodji für den Umweltschutz. Er sieht nicht nur die von Menschen gemachten Ursachen der Klimakrise, sondern sucht auch nach Projekten in Afrika, um eine Katastrophe abzumildern.  Foto: Seidel, Ralf

Ein Leben für den Umweltschutz - so lässt sich das Engagement von Mamadou Mbodji zusammenfassen. Zum Abschluss seiner mehrtägigen Reise durch die Region wird der Vizepräsident der Naturfreunde Internationale am heutigen Freitag, 7. Oktober, ab 19 Uhr im Gewerkschaftshaus Heilbronn in der Gartenstraße einen kostenlosen Vortrag halten.

Was fällt Ihnen besonders in Deutschland auf, Herr Mbodji?

Mamadou Mbodji: Mich beeindruckt, wie viel Grün es in den Städten gibt. Als ich das erste Mal nach Deutschland kam, überraschte mich die große Anzahl an Autos trotz des gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehrs. Heute weiß ich, dass es im Interesse der Politik ist. Und die Automobilindustrie hier unter keinen Umständen verloren gehen darf.

Sie waren bereits 2017 für einen Vortrag in Heilbronn. Das Thema damals: die Massenflucht vor dem Klimawandel. Hat sich seither etwas geändert?

Mbodji: Die Problematik ist die selbe. Ich spreche seit 2011 über Klimaflüchtlinge. Die Menschen kommen nicht nach Europa, weil sie es wollen. Sie haben schlichtweg keine Alternative. Ich nenne es häufig den Marsch der Toten, weil die Menschen keine Hoffnungen mehr haben und innerlich schon wie tot sind. Bereits 2011 habe ich auf Kongressen davon gesprochen, dass es kein Grenzposten, kein Militär schaffen wird, diese Menschen aufzuhalten. Sie haben schlichtweg nichts mehr zu verlieren.

An dem Punkt kommt dann Klimagerechtigkeit ins Spiel?

Mbodji: Ja, aber nicht im Sinne von, der globale Norden als Verursacher hat zu bezahlen. Es geht um Solidarität. Wir müssen die Errungenschaften des Nordens an die Begebenheiten Afrikas anpassen und vor Ort Lösungen, afrikanische Lösungen erarbeiten. Ansonsten verschlechtert sich die Situation. Das Mittelmeer ist ein großer maritimer Friedhof. Tausende schlagen sich durch die Wüste, um nach Agadez, im Norden des Niger, zu gelangen - und kommen dabei in der Sahara um. Geändert hat sich nur, dass der globale Norden durch die Medien mehr über die Flüchtlinge weiß und es sie beim Essen ihres Croissants und beim Trinken ihres Milchkaffees stört.

Nehmen alle Flüchtlinge den gefährlichen und meistens auch kostspieligen Weg nach Europa auf sich?

Mbodji: Nein, wir haben auch sehr viel inländische Migration - vom Land in die großen Städte. Afrika lebt von der Landwirtschaft und ist abhängig vom Klima. Wenn der Regen ausbleibt, können die Menschen kein Getreide mehr anbauen. So verspricht sich die Landbevölkerung eine Verbesserung in den Großstädten, was nicht so ist. Und so zieht sie weiter. Migranten aus Afrika wandern überwiegend innerhalb ihres Kontinents, meist sogar in ihrer Region. Nur liest man davon im Westen wenig.

Auch dagegen muss etwas unternommen werden. Was schlagen Sie vor?

Mbodji: Wir müssen alle dafür sorgen, dass die jungen Menschen, die die Zukunft von Afrika sind, hier bleiben. Es muss in die Landwirtschaft investiert werden, die durch den Kolonialismus zerstört wurde, und sich jetzt häufig nicht mehr in den Händen lokaler Kooperationen befindet. Wir können zum Beispiel von Ländern wie China oder Norwegen eine Menge über den Fischfang lernen und auf unsere Situation übertragen. Wir brauchen einen intelligenten Technologie- und Wissenstransfer.

Und was können Menschen im globalen Norden tun? Reichen Demonstrationen wie "Fridays for Future"?

Mbodji: Das ist gut - aber nicht genug. Der Klimawandel ist eine direkte Folge dessen, wie unter anderem in Deutschland produziert und konsumiert wird. Der gesamte Verbrauch der nördlichen Halbkugel muss überdacht und verändert werden. Ich habe das Vertrauen in die Politik immer mehr verloren. Umso wichtiger ist die Zivilgesellschaft. Menschen sollten sich in Organisationen wie den "Naturfreunden" zusammenschließen und laut ihre Meinung äußern. Die Hütte brennt, wie müssen etwas tun.


Zur Person

Der Anbau von Erdnüssen als Monokultur im Senegal brachte Mamadou Mbodji bereits in jungen Jahren dazu, sich für seine Umwelt zu interessieren. Vor 30 Jahren trat der frühere Lehrer dann den Naturfreunden Internationale bei - heute ist er deren Vizepräsident sowie Präsident der afrikanischen Naturfreunde. Der 66-Jährige nahm bereits an zahlreichen UN-Klimakonferenzen teil, hält sie allerdings für zahnlos.